Von der Prozession die durch alle Welt und Zeit zieht
Kommentar zu Mariä Lichtmess von P. Théo Klein scj (2.2.2025)
Von der Prozession die durch alle Welt und Zeit zieht
Der heilige Bernard von Clairvaux hatte nicht nur die studierten Mönche vor sich, sondern auch die Laienbrüder, die die Wälder rodeten. Von daher versteht es sich, dass er an Festtagen immer wieder überlegte, wie er den Kern des Festes nahebringen konnte. Und er tat das auf nachahmende Weise. Er sagte, dass die Prozession, die die Mönche gemacht hatten, zum ersten Mal im Tempel von Jerusalem stattgefunden hatte. Ja, die Darstellung des Herrn schildert eine kleine Prozession: Maria, Josef, Simeon und Hanna, aber auch ein Kleiner, den sie auf dem Arm hatten. Bernard erklärt anschaulich, dass es eine kleine Prozession war. Es waren vier Gerechte: die Gottesmutter ohnehin außer Konkurrenz, Josef, der gerecht und fromm war, sowie Simeon und Hanna, „sie waren beide zur gleichen Zeit im Tempel, sie wurden beider der Gabe der Prophetie gewürdigt“ (Gregor der Große). Bernard von Clairvaux fragt: „Schön für sie, aber geht es nur um diese vier Gerechte?“ Es gibt einige Jahre später schon eine größere Prozession. Da wird der, der herangewachsen ist nicht mehr von seiner Mutter getragen, sondern von einem Esel. Und es schreien viele. Es sind nicht nur Gerechte, sondern viele Sünder, sogar die, die seinen Tod fordern. Sie ziehen mit dieser Prozession.
Diese Prozession ist angewachsen bis zum diesjährigen Heiligen Jahr 2025. Jeder von uns hat seine Schattenseiten und dennoch ziehen wir mit der Prozession und halten die Lichter. Wir ziehen Ihm hinterher. Warum? Weil in dem Wort „Darstellung“ mehr liegt. Es ist eigentlich „Darbringung“, das gleiche Wort, wenn im Tempel geopfert wird. Mich persönlich hat die Szene in dem Film „Notre- Dame brûle“ des französischen Regisseurs Jean-Jacques Annaud tief beeindruckt, in dem ein kleines Mädchen sich von ihrer entsetzten Mutter losriss, nachdem sie als Messbesucher evakuiert wurden, rannte sie zurück in die Kirche zur Gottesmutter, um ihr ein schmuckvolles Haarband zu opfern, das sie liebevoll um eine Opferkerze band und der Gottesmutter zuzwinkerte und über deren Wange später im Inferno eine Träne rann.
Das Wort „Opfer“ ist also nicht ein altmodisches verstaubtes Reliquiar, sondern drückt das Wesen der Liebe und des Engagements aus. Diese Besonderheit kommt in der Schilderung des Lukasevangeliums vor, indem Maria und Josef sich auf den weiten Weg machen, vom Norden Galiläas bis nach Jerusalem, um Jesus in den Tempel zu bringen, um ihn Gott darzubringen. Das ist ein Anklang wie eine Zusammenfassung, warum Jesus eigentlich da ist. Weshalb ist in dieser Welt „Das Wort Fleisch geworden“? Wozu zieht am 2. Februar die Prozession bis zum Ende der Zeiten durch die Kirche, durch diese Welt? Es ist keine Prozession ins Ghetto, sondern eine Lichterprozession durch diese Welt, weil er gekommen ist, um alle zu rufen. Jesus sagt: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“ (Lk 5,31). Darin besteht die Kraft seines Lichtes. Darin besteht die Leuchtkraft, die uns bis heute erreicht und anspricht. Es lohnt sich das einfache und doch prägnante Wort des heiligen Johannes Chrysostomus zu meditieren: „Du bist Pilger“. Darin wird deutlich, dass die Gegenwart unser irdischer Weg ist. Es ein Weg, der nicht ins Nirgendwo führt - und nicht wie es in einem früheren Schlagerlied hieß: „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“. Jesus Christus geht als Licht voraus. Auf diesem Weg seines Lichtes gehen wir ihm als Pilger der Hoffnung nach. Diese Sehnsucht sollen wir neu erfahren, die zur Freundlichkeit und zum Gewinn von Weisheit führt, weil sie dem nachgeht, in dem „die Güte und Menschenliebe Gottes erschienen ist“ (Tit 3,4).