Der Türöffner und das Haus der Freundschaft
Kommentar zum 27. Sonntag im Jahreskreis von Roger Nilles (6.10.2024)
An dieser Stelle werden in aller Regel die Sonntagslesungen kommentiert, kontextualisiert, aktualisiert. In dieser Woche könnte man über die Schöpfung, über Mann und Frau schreiben, über Eheschließung und -scheidung, über Leid(en) und Heil(igung). Doch so kurz nach dem Papstbesuch sei mir eine Ausnahme gestattet. Die zentralen Aussagen seiner Rede an die Gemeinschaft in der Kathedrale, in der er ausgehend von der Devise „Um zu dienen“ den Bogen vom marianischen Trost zur Glaubensfreude spannte, seien hier nicht wiederholt. Nein, ich möchte in diesen wenigen Zeilen die Grundhaltung von Papst Franziskus den Menschen gegenüber, denen er begegnet, hervorstreichen; sie kann uns ein Vorbild sein.
Seine offene Art, seine Zuwendung, die Suche nach Nähe, der Sinn für Humor, die Zeit, die er sich nimmt trotz des straffen Programms, um die Menschen – Jugendliche wie Gebrechliche – persönlich zu grüßen, händeschüttelnd, segnend, mitunter plaudernd, Rosenkränze verteilend, den Daumen nach oben gereckt, ein aufmunterndes Lächeln, das alles hat mich beeindruckt. Die spontane Espresso-Episode reiht sich irgendwo da ein. Die Freude, die diesen kurzen Augenblicken entspringt, sie ist echt, befreiend – für beide Seiten. Die Schönheit des Evangeliums spiegelt sich hier in der Freude des Glaubens und der Begegnung.
In diesen kleinen, zutiefst menschlichen Gesten wird Freude erfahr-, ja erlebbar, dabei bleibt die Botschaft ernst und klar. Der Papst nimmt Luxemburg und Luxemburger(innen) in die Pflicht: „S’agissant du service, je voudrais vous recommander un aspect très urgent aujourd’hui: celui de l’accueil. […] Oui, l’esprit de l’Évangile est un esprit d’accueil, d’ouverture à tous, et il n’admet aucun type d’exclusion. Je vous encourage donc à rester fidèles à cet héritage en continuant à faire de votre pays une maison d’amitié pour tous ceux qui frappent à votre porte en demandant aide et hospitalité.“ Der wahre Freund ist immer auch ein Mahner.
„Une maison d’amitié“, ein Haus der Freundschaft, sollen wir bleiben; diesen Auftrag gibt er, der fürsorgliche Vater, uns mit auf den Weg – nicht so leicht angesichts mancher Extremismen, die wir leider allzu oft hinnehmen, als gehörten auch sie dazu. Den angstschürenden Parolen unserer Zeit können wir Hoffnung und Nächstenliebe gegenüberstellen, nicht blind oder naiv, sondern aus der vollen Überzeugung, dass wir nur als offene Gesellschaft, die das Gute für alle will, Bestand haben. Der Nächste in Not verdient nicht allein unsere Barmherzigkeit, schon der Gerechtigkeit wegen ist es unser Auftrag, ihm die Tür zu öffnen. Papst Franziskus ist mit seiner Art, die Gesten und Worte mit konkreter Diakonie verbindet, so ein Türöffner, der auf uns zugeht. Und wenn er dies tut, denkt er sicher auch an die Worte Jesu an seine Jünger, die wir an diesem Sonntag hören: „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes. […] Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.“
In diesem Sinne: Bleiben wir wachsam, froh und aufgeschlossen - und antworten wir auf die Rufe jener, die an unsere Tür klopfen, die uns vertrauen.