Mut zur Vollwertkost oder die Wiederentdeckung der Einheit in Vielfalt
Kommentar zum 21. Sonntag im Jahreskreis von Karsten Steil-Wilke (25.8.2024)
Wenn wir unsere Gegenwart beschreiben müssten, dann etwa so, dass wir in einer sich immer polarisierenderen Realität leben. Die äusseren Pole in Gesellschaft, Demokratie und Kirche und sonstwo setzen zum Sprung an, um die Macht in den jeweiligen Zentren zu übernehmen. Zuhören, mit der Absicht den Anderen zu verstehen, Kompromisssuche und das Bewusstsein um das Einende scheinen vergessen zu sein. Mit dieser Gegenwartsskizze sind wir dann auch schon mitten im Szenario des Evangeliums von diesem Sonntag.
Das Szenario des Evangeliums spielt sich in der Synagoge von Kapharnaum ab. Es geht unter anderem um das Eucharistieverständnis Jesu, aber damit verbunden auch direkt um die Frage, wer ist Jesus für mich? An welchen Jesus glaube ich? Viele Ausführungen Jesu scheinen in ihrer Eindringlichkeit und Entschiedenheit die Aufnahmefähigkeit und den Willen zum Verstehen mancher Zuhörer zu übersteigen (Vers 60: „Diese Rede ist hart.
Wer kann sie hören?“).
Der Weg mit Jesus ist Vollwert- und keine Schonkost.
Jesus selbst bleibt das nicht verborgen und er fragt seine Zuhörer, mit einem Unterton von Verwunderung, wenn sie schon diese Dinge nicht annehmen können, wie es dann bei der Größe des noch ausstehenden Erlösungsgeschehens um ihren Glauben bestellt sein werde (Vers 61-62: „Jesus erkannte, dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß? Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn aufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war?“).
Und er scheut sich auch nicht, das als Unglauben zu benennen (Vers 64: „Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben.“). Das führte zu Entscheidungen der Zuhörer, auch dazu, den Weg mit Jesus nicht weiter mitgehen zu können (Vers 66: „Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher.“)
Dieser ist sich der Erschütterungen in seiner Bewegung bewusst und fragt die ihn Umgebenden deshalb im Vers 67: „Wollt auch ihr weggehen?“ Heute würden das die Medien als „ein Beben in der Anhängerschaft Jesu“ betiteln, gar eine Auflösung der Gruppierung scheint nicht fern. In diesem Moment der Unsicherheit deutet Jesus jedoch auch an, wo das Ferment der Einheit liegt, nämlich im Wirken des Heiligen Geistes, der vom Vater kommt (Vers 65: „Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist.“).
Der Glaube an Gott ist vor allem auch Gnade und Geschenk. Eine Gabe, die persönlich zu pflegen ist, durch Verankerung im Lesen der Heiligen Schrift, im Gebetsleben, durch das Mitfeiern der Eucharistie und Verankerung in einer christlichen Gemeinschaft, sowie dem selbstlosen Dienst an den Armen.
Dieser Heilige Geist verheißt nicht weniger als Leben über den Tod hinaus (Vers 68: „Du hast Worte ewigen Lebens.“). Er ist einerseits ein Geist der Kreativität und Inspiration, aber auch der Mäßigung, der Liebe, Zukunft, des Aufrichtens, der Heilung und der Einheit. Und ob er wirkt, lässt sich nicht im sich durchsetzenden Ego erkennen, sondern vielmehr in tragfähigen, zukunftsfähigen, respektvollen Kompromissen, die Perspektiven eröffnen und nicht dualistische Konfrontation und Spaltung hinterlassen. In der Realisierung dessen, könnte Kirche ein fruchtbarer Orientierungspunkt für die ganze Gesellschaft werden. Die laufenden Synodalen Prozesse sind ein Testlauf dafür, in der Wiederentdeckung der Einheit in Vielfalt.